Beta-Tiere in der Gemeinde

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Wölfe im Streit
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Haben sie schon einmal erlebt, dass in einer Gruppe immer dann, wenn ein Leiter / Alpha-Tier von

einem Dritten angegriffen oder auch nur offen kritisch hinterfragt wird, sich ganz schnell andere Gruppenmitglieder schützend vor den Leiter stellen und den „Aggressor“ angehen? Nein? Na, dann haben sie wohl nur nicht richtig hingesehen – oder?

Wovon rede ich?
Unter Rudeltieren wie z.B. den Wölfen, herrschen in der Regel klare Rangstrukturen, strenge Hierarchien. An der Spitze stehen die Alpha-Tiere. Denen folgen die Beta-Tiere und so geht es weiter bis zu dem Omega-Tieren. (siehe Wikipedia) Diese Rangfolge wird durch Rituale und Kämpfe ausgefochten. Die Alpha-Tiere stehen ganz oben und sind in der Regel die stärksten Tiere des Rudels. Unter ihnen stehen die Beta-Tiere, welche beständig ihren Rang im Rudel bewahren müssen. Das tun sie, indem sie gegenüber dem Alpha-Tier ein devotes (unterwürfiges) Verhalten aufzeigen. Unter Wölfen gehört z.B. das Speichellecken zu diesen Unterwerfungsritualen. Die unter ihnen stehenden Gamma-Tiere beißen sie weg.
Tiere, die sich solchen Rangordnungen nicht unterwerfen, müssen entweder zum Alpha-Tier aufsteigen oder das Rudel verlassen.

Menschen verhalten sich oft nicht wesentlich anders.
Das es hierarchische Gruppen unter Menschen gibt, ist nichts neues und eher normal. In solchen Hierarchien bildet sich auch recht bald heraus, wer dort Leiter / Alpha-Tier ist und wer sich in den untergeordneten Rollen einzufügen hat.

Ich lade sie zu einem Experiment ein: Gehen sie einmal in eine Gruppe – z.B. in diversen Internetforen oder sozial Communitys. Beobachten sie, wer dort wohl ein Alpha-Tier sein könnte. Oft genug tragen diese auch einen entsprechenden Rangtitel. Suchen sie eine Gelegenheit, wo sie diesen Leiter offen kritisch hinterfragen. (Bitte ohne beleidigend zu werden! Evtl. sprechen sie sich mit dem Leiter sogar vorher über dieses Experiment ab.) Achten sie auf das Verhalten anderer Angehörigen dieser Gruppe.
Recht schnell werden sie zweierlei beobachten können:

  • Ein größerer Teil der Gruppe wird sich still zurückhalten und abwarten
  • Ein kleinerer Teil der Gruppe wird sich spontan schützend vor den Leiter stellen

Achten sie darauf, dass sich die Reaktionen der zweiten Gruppe zumeist nicht auf den Inhalt ihrer Kritik beziehen, sondern nur auf ihr Verhalten abzielt.
Hier passiert zweierlei:

  • Die Angehörigen der zweiten Gruppe zeigen ihr devotes Verhalten nach „oben“
  • und beißen sie weg.

Unter uns wird ein solches Verhalten natürlich entsprechend sozial getarnt. Wir beißen niemanden (hoffentlich). Wir werden auch nicht einfach wütend oder laut. Nein, das verpacken wir Menschen oft ganz anders. So kann es sein, dass eine ausufernde Randdiskussion über ihr „unangepasstes Verhalten“ provoziert wird. Oder es wird bemängelt, dass Ihnen eine solche Kritik nicht zusteht. Es kann auch sein, dass sie auf anderen Ebenen angegangen werden, nur um sie zu diskriminieren.
Obwohl unter Menschen ein solches Verhalten oft in einen angeblich berechtigten und sinnvollen Kontext gestellt wird, geht es bezeichnender Weise darin in keiner Weise wirklich um den Inhalt oder die Berechtigung ihrer Kritik. Jeder Versuch die Diskussion wieder auf die Inhalte ihrer Kritik zu bringen, scheitert an den vehementen Angriffen ihrer Gegner.

Machtverhalten in den christlichen Gemeinden
Auch unter uns Christen ist das nicht anders – obwohl das gerade so nicht sein sollte. Klare Aussagen Jesu zu dem Verhalten untereinander sprechen da eine ganz andere Sprache. Da heißt es z.B. dass der, der groß sein will (ein Alpha-Tier) der Diener aller sein sollte. Wir sind angehalten uns gegenseitig die Füße zu waschen und nicht die Köpfe, etcpp.

Auch wir haben ganz spezielle Verpackungen für das Verhalten der Beta-Tiere. Da werden Leiter z.B, mit einer „heiligen Aura“ umgeben und es darf „der Gesalbte nicht angerührt“ werden. Oder jedwede Kritik wird als lieblos und verletzend dargestellt. Die Betroffenen Leiter mutieren dort gar geradezu zu „erbarmungswürdigen Opfern“. Oder eine berechtigte Kritik wird als „unchristliches Verhalten“ geahndet.

Solche Beta-Tiere in den Gemeinden verhalten sich oftmals sogar recht penetrant. Dass heißt, man wird sie so leicht nicht wieder los. Und solange diese „bellen“, findet das eigentliche Anliegen der Kritik kein weiteres Gehör.

Nur wenige Leiter schaffen es ein solches Verhalten richtig zu deuten und dafür zu sorgen, dass dieses eingestellt wird und auf die Kritik eingegangen werden kann. Nicht wenige Leiter dulden ein solches Verhalten gar mit einem wohlwollenden Schweigen. (Was für christliche Leiter eigentlich eine Disqualifikation bedeuten sollte.)

Warum ein solches Verhalten nicht gut ist
Ich habe es schon erwähnt: Jesus und die Apostel haben uns ein völlig anderes Verhalten verordnet. Und das aus gutem Grund. Denn ein solches Rudelverhalten ist lediglich dazu geeignet Machtpositionen zu sichern. Mit Liebe untereinander (auch wenn diese im „Beißverhalten“ manchmal als Begründung angeführt wird) hat das nichts zu tun. Ebenso wenig mit der Demut untereinander, zu der wir aufgerufen sind.

Die Gemeinde Gottes soll nicht durch Macht untereinander bestimmt sein, sondern durch Liebe und Barmherzigkeit. Erbarmen und Vergebung sollen vorherrschend sein. Wie es Jesus sagte:
Johannes 13:35 Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. (Rev. Elb.)

Kultivieren wir aber in unseren Versammlungen ein solches Rudelverhalten, geben wir Machtstrukturen, Machtmenschen und Machtmissbrauch einen Raum, der in der Gemeinde Gottes nichts zu suchen hat. Ein solches Verhalten kann zu keinem guten, Christus gemäßen Ergebnis führen. Es folgen daraus lediglich Verbitterung, Verletzungen und Spaltungen.

Die Wenigsten, die ein solches Verhalten an den Tag legen, sind sich dessen bewusst. Oftmals wähnen sie sich sicher darin richtig zu handeln. Traurig genug, dass dennoch ein derart destruktives Verhalten auch unter uns Christen zu finden ist.

Als Anregung möchte ich folgendes mitgeben:
Probieren sie solche Situationen mal in ihrer Gruppe in Rollenspielen aus und reflektieren sie danach gemeinsam ihr Verhalten. Bilden sie dazu immer zwei Gruppen: Die Akteure, die das Rollenspiel durchführen und die Beobachter, die von außen auf das Geschehen sehen.
Sie werden sehen, es funktioniert fast jedesmal. Durch die gemeinsame Reflektion erhält jeder der Teilnehmer die Gelegenheit eine stärkere Sensibilität für solche Verhaltensmuster aufzubauen und entdeckt womöglich im nächsten, echten Konflikt dieses Verhaltensmuster und kann dazu beitragen, dass wir uns darin üben, Christus ähnlicher zu werden.

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5 Gedanken zu „Beta-Tiere in der Gemeinde“

  1. Das ist ein sehr interessanter Gedankengang, der hervorragend zu dem paßt, was Paulos über die Wölfe sagt. Er charakterisiert die Wolfsnatur ja dadurch, daß Wölfe die Jünger »hinter sich selbst herziehen«, also Denominationen bilden. Dazu paßt wiederum die hierarchische Verfassung der wölfischen und der denominationellen Sozialstruktur.
    Der biblische Gegenentwurf ist übrigens der Ameisenhaufen: Spr. 6, 6 — 8. Die Ameise bereitet Brot (Wort Gottes, Vers 8 ) auf nichthierarchischem Wege (Vers 7).

    1. Ich hab mir mal ihre verlinkte Seite angesehen. Ihre überzogenen Ansichten teile ich nicht.
      Ich bin zwar überzeugter Vertreter von Hausgemeinden und einfache Gemeinde und habe an den Denominationen durchaus kritische Fragen. Aber ihre Art „Kritik“ gefällt mir nicht.

  2. Das hat Kritik ja nun so an sich, daß sie nicht gefällt. Die Frage kann demnach auch gar nicht sein, ob sie Wohlgefallen auslöst, sondern ob sie brechtigt (also schriftgemäß) ist oder nicht.

  3. Wie ich bereits schrieb: Ihre Kritik ist mMn völlig überzogen und damit nicht berechtigt. Ob sie zudem noch schriftgemäß ist, ist hier wohl eher eine Sache des Betrachters – ich meine eben dass hier das Wort Gottes falsch betrachtet wird.

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